Zürcher Radsport: magisch und legendär

Die gesamte, grosse Geschichte des Zürcher Radsports würde Bücherbände füllen. Aber einige der zahllosen Stories, die von berühmten Menschen, Vereinen oder Rennen handeln, müssen erzählt werden, nämlich zu drei magischen und legendären Namen: Züri Metzgete, Offene Rennbahn und Sechstagerennen im Hallenstadion.

Autor: Heier Lämmler

 

Die Meisterschaft von Zürich

Von 1910 bis 2015 organisierte der Radfahrer-Verein-Zürich die «Meisterschaft von Zürich», wie das älteste Radrennen der Schweiz ursprünglich hiess. 1978 waren insgesamt über 1000 Gümmeler am Start. Den Übernamen «Züri Metzgete» bekam es aus dem Volksmund, weil es auf den Naturstrassen so oft zu Massenstürzen und Fahrern mit blutenden Wunden kam.

Zieleinfahrt Züri Metzgete: Gery Verlinden (BEL) gewinnt die Zueri Metzgete 1980

Gery Verlinden (BEL) gewinnt die Zueri Metzgete 1980.
Copyright: Foto-net, Gabor Horvath

Der Event ist bis heute europaweit ein Begriff – von unschätzbar grossem Marketingwert und als «Züri Metzgete» auch namensrechtlich geschützt. Das Thema Geld – das Suchen nach Sponsoren oder Trägerschaften – zieht sich freilich wie ein roter Faden durch die Buchhaltung und die über hundertjährige Geschichte dieses Eintage-Klassikers. Einer neuen Auflage stehen heute noch grössere Hindernisse entgegen, beispielsweise auch viele Strassenkreisel.

 

Zürichs lebendiges Radsport-Denkmal

Die offene Rennbahn in Zürich-Oerlikon, die erste Spannbeton-Konstruktion der Welt, ein bauhistorisches Meisterwerk, wurde 1912 in einer wahnhaften Epoche gebaut, wo der Menschheit alles technisch Machbare möglich erschien. Auch eine unsinkbare Titanic. Die Sportanlage wurde oft totgesagt und sie war ebenso oft Spekulationsobjekt buntester Persönlichkeiten.

Luftaufnahme Offene Rennbahn in Oerlikon mit Hallenstadion im Hintergrund

Die Offene Rennbahn Oerlikon und im
Hintergrund das Hallenstadion, zwei Ikonen
des Radsports in Zürich.
Copyright: Foto-net, Kurt Schorrer

Reich an sportlichen Höhepunkten waren die Zwanziger- und Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts mit Rennen, häufig vor bis zu 12’000 begeisterten Fans. Die unberechenbaren Witterungsbedingungen führten zum Bau einer überdachten Velorennbahn gleich daneben, die 1939 als Hallenstadion eröffnet wurde.

Goldene K. und K. Jahre erlebte die 333.33 Meter lange offene Bahn auch anfangs Fünfziger Jahre mit Hugo Koblet und Ferdy Kübler. Die Zielankünfte der Tour de Suisse glichen euphorisch gefeierten Volksfesten. Obschon die Anlage in einem Sumpfgebiet gebaut wurde, sank sie nie – im Gegensatz zum erwähnten Ozeandampfer. Sie zählt zu den denkmalgeschützten Objekten des Kantons Zürich.

Dank einer Vitalkur, 2020/21 von den Steuerzahlern ermöglicht, ist die Anlage in erstklassigem Zustand. Durch die regelmässigen Radsportaktivitäten, die vielerlei Trainings- und Eventmöglichkeiten, in den Sommermonaten mit den Dienstagabend-Rennen, geniesst die offene Rennbahn in breiten Bevölkerungskreisen wieder grosse Popularität.

 

Video killed the Sixdays-Stars

Die Sechstagerennen im Hallenstadion werden bis heute gerühmt. Der Duft von Freiheit und Abenteuer war dort zu erleben. Die Nächte waren berüchtigt wegen den Zigaretten- und Zigarren-Rauchschwaden eines ausgangshungrigen und sündelüsternen Publikums. Das war die Zeit, als es in Zürich noch eine Polizeistunde gab. Kein Jugendlicher kann sich darunter heute etwas vorstellen. Nach der Sperrstunde galt Ausschankverbot und die vom Staat verordnete Nachtruhe.

1954 fand das erste Sechstagerennen im Hallenstadion Zürich statt, 2001 war vorerst Schluss. 2007, zwischen Weihnachten und Neujahr, wurde der Event für die 50. Austragung wieder belebt und hielt sich leidlich bis 2014. Dann segnete das Sixdays-Thema das Zeitliche, wohl für immer. Video killed the Sixday-Stars. Die Art der Rennen – sei es Americaine-, Derny- oder Steherrennen – erlebten in der Zeit, als es das Schweizer Farbfernsehen noch nicht gab, ihre Blütezeit durch kluge Dramaturgie-Raffinessen mit dem einzigen Ziel, das Publikum zu fesseln und zum Bleiben und Feiern in der Halle zu halten.

Aufnahme aus den Sechstagerennen Zürich im Hallenstadion

Verrauchte Nächte und dramatische
Rennen: Die Six Days sorgten
in Zürich für grosse Unterhaltung.
Copyright: Foto-net

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